Mein gestriges Erlebnis dauerte sicherlich insgesamt nicht länger als 2 Minuten. Bilder gibt es keine, aber es war so eindrucksvoll, dass ich es in meinem ganzen Leben hoffentlich nicht vergessen werde.
Wir sind bei herrlichem Sonnenschein auf dem Skyline Drive im Shenandoah National Park im Auto in nördlicher Richtung unterwegs. Die Aussicht ist Klasse, wenn auch ein bisschen dunstig. Während der Fahrt unterhalten wir uns, und stellen fest, dass wir schon sehr lange keine Bären mehr in freier Wildnis gesehen haben. In diesem National Park soll es sehr viele Schwarzbären geben. Aber, es ist gleich Mittag und normalerweise trifft man Wildtiere eher am frühen Morgen oder späten Abend an.
Okay, wir fahren auf einer kurvenreichen Straße durch den Wald. Plötzlich sehe ich vor uns einen sehr hohen Baum am Straßenrand, der mit seinen Ästen weit über die Straße reicht. Mitten in den Ästen steht ein kleiner Bär oberhalb der Straße. Mein Gehirn muss das Bild aber erst irgendwie zusammen setzen: Straße – Baum – ca. 6m hoch – Bär. Ich schätze mal, das dauert so 3 Sekunden, bevor ich schreie: „Halt an, ein Bär, da oben“, zeige in die Richtung und drücke gleichzeit den Knopf für das Warnblinklicht. Der Gatte schaut nach oben und bremst, was bei einer Geschwindigkeit von 30 mph allerdings nicht so leicht ist. So kommt unser Truck natürlich erst hinter dem Baum mit dem Bären zum Stehen. Wir wollen zurück setzen, aber der Truck auf der Gegenfahrbahn hält ebenfalls und der Fahrer informiert uns freundlicherweise, dass das Bärenkind ungefähr 4 bis 6 Monate alt sei und er es schon öfter gesehen habe und, und und. Toll! Wir können nicht zurück und der Gatte zischt: „Nimm die Kamera und steig aus.“
Eigentlich weiß ich alles über Sicherheit bei der Wildtierbeobachtung im allgemeinen und im besonderem bei Bären sowieso. Nur, in diesem Moment setzt mein Hirn scheinbar total aus und ich mache, wie mir geheißen. Ich springe aus dem Auto, schaue nach oben – blöd, 1. Gegenlicht und 2. kein Bär. Schlagartig setzt mein Hirn wieder ein. Ach, du meine Güte. Das kleine Bärchen sitzt gerade einmal 5 m von mir entfernt am Baumstamm. Wir starren uns eine Sekunde an und ergreifen, weil wir beide schlau sind, die Flucht. Das Bärchen saust den Baumstamm herunter, ich springe zurück ins Auto und frage mich ernsthaft, wieso ich so einen Blödsinn machen konnte. Ich habe gar keine Sicht nach hinten gehabt, konnte also überhaupt nicht einschätzen, wo sich die Bärenmutter aufhielt. Glücklicherweise habe ich sie auch nirgendwo gesehen, aber sie war natürlich in der Nähe.
Kanadische Wildgänse davor am frühen Morgen zu fotografieren, wie sie von ihrem Schlafplatz Richtung Shenandoah National Park aufsteigen, war dagegen sehr viel einfacher. 🙂
1 Responses to 15. September 2016 | Bärenkind